Freitag, 24. August 2012

TAG ZWÖLF: 87,7KM (GESAMT 923KM), VON GÄLLAREBÖKE NACH HYLTEBRUK


Ihr würdet mir nie glauben, wie glücklich ich in diesem Moment bin, obwohl ich heute mein Portemonnaie verloren habe! Es lief so ab: Als ich heute Mittag in meiner vorderen rechten Radtasche, in der ich die meisten Wertsachen transportiere, kramte und nach meinem Portemonnaie suchte, war es nicht da. In durchsuchte die linke Tasche, in der ich Essen und Verbandszeug und Medikamente habe. Nichts. Also lud ich das Rack-Pack vom Hinterradgepackträger (das ist eine Tasche von Ortlieb, die man mit den normalen großen Hinterradtaschen verbinden kann, ich bewahre darin das Zelt, die Isomatte und eine Dünne Fleecedecke auf) ab und sah in den anderen Taschen nach. Rechts habe ich die Daunenjacke, meine beiden Fleecejacken, den Schlafsack und Schal und Mütze. Es ist irgendwie die Wärmetasche. Hinzu kommt noch das Netbook und das Teil von Ortlieb, mit dem man eine Radtasche als Rucksack tragen kann. Auch hier: nichts. Also sah ich links nach. Hier habe ich die beiden Kartuschen — eine ist bereits fast leer —, die Töpfe, in denen sich der Kocheraufsatz, das Taschenmesser und ein paar Kerzen befinden, meine Kleidung, den Windschutz für den Kocher und mein Regenzeug. Nichts. Ich durchsuchte alle Taschen, auch die der Hose und der Jacke, die ich trage, packte sogar das Zelt aus und stülpte es um. Absolut nichts. Verzweiflung breitete sich in mir aus, ich war aber noch gefasst. Als ich zu Hause anrief, um Hilfe und Rat zu bekommen, fiel es mir schwer, das Problem (also: ich habe keine einzige Krone Bargeld, keine Kreditkarte, keine Geld- oder Krankenkassenkarte mehr und mein Handy hat nur noch 14% Akku) auszusprechen. Wir entschieden, dass der erste Schritt sei, zu einer Polizeistation zu fahren. Ich fragte im Supermarkt. Hyltebruk. Diese Richtung. Zweieinhalb Meilen. Es waren einundzwanzig Kilometer. Ich fuhr. Verzweifelt. Unmotiviert. Ich dachte darüber, wie man das Problem lösen könnte. Und da waren so viele Berge! Ich war gequält. Konnte mir kein bisschen vorstellen, noch so viele hundert Kilometer in den nächsten Tagen zu fahren. Ich strampelte. Meine Beine schmerzten. Ich hatte kein Portemonnaie. In Hyltebruk hatte die Polizeiwache seit zwei Stunden geschlossen und würde erst am Montag wieder öffnen. Ich rief die Nummer an der Tür an, denn ich wollte das Portemonnaie ja als verloren melden. Nummer nicht vergeben. Mit Vorwahl. Auch nichts. Zu Hause angerufen. Richtige Nummer herausgefunden. Ausprobiert. Stockholm ging ran. Verbinden mich. Jemand anderes. Verbindet mich weiter. Tuten. Anruf beendet. Neuer Versuch. Stockholm. Weitergeleitet. Eine Frau, die wissen wollte, wann ich es verloren hatte. Tuten. Anruf beendet. Es ging einige Male hin und her. Ich hatte Angst. Der Akku war bei 8%. Zwischendurch rief ich mehrmals zu Hause an. Wir entschieden, dass ich versuchen würde, eine Unterkunft im Ort zu finden, um das Handy aufzuladen. Und, dass Mama mir die Kreditkarten, die ich für ihr Konto habe, zuschicken würde. Ich war immer noch verzweifelt und am Boden. Die Augen verquollen betrat ich einen Elektronikladen. Alles orange. Eine weißhaarige ältere Frau und ihr Sohn in orangenen T-Shirts hinter der Theke. Lächeln. Ich erkundigte mich nach Unterkünften. Lang und breit berichteten sie von dem Hotel, dem Wandererheim und dem Zeltplatz und wie genau man diese Orte erreichen konnte. Danach schilderte ich ihnen mein Problem und sagte, dass ich nicht wirklich wisse, wie ich bezahlen sollte. Überweisung von zu Hause? Und dann berichteten sie mir vom Türkei-Aufenthalt des Sohnes vor einigen Jahren. Die Kteditkarte ging kaputt. Aber die Mutter konnte im mithilfe eines bestimmten intenationalen Netzwerkes, das ‘Union’ im Namen trug, Geld ins Ausland transferieren. Das sei ganz einfach und gleich nebenan im Lottogeschäft möglich. Als ich noch erklärte, dass ich mein Handy aufladen müsse, kam die alte Frau sogar mit mir, erklärte der anderen Frau im Lottogeschäft mein Problem auf schwedisch und schließlich saß ich da, neben einem Handy an einer Steckdose. Die Frau in dem Laden schenkte mir eine Cola. Jetzt, ein paar Stunden später, habe ich wieder Bargeld, es hat problemlos geklappt! Meinen Reisepass habe ich auch, der war an anderer Stelle verstaut. Meine technischen Geräte sind geladen, ich war mit dem neuen, frischen Geld einkaufen und liege jetzt auf dem besagten Zeltplatz, direkt an einem See. Es ist schwer zu sagen, warum ich mich so gut fühle; aber das Gefühl, aus so viel Sorge und Verzweiflung aufzutauchen, es überwunden zu haben, eine Cola spendiert bekommen zu haben, ist einfach großartig! Man fühlt sich so warm, wenn Leute für einen da sind, die man nie zuvor gesehen hat. Manchmal scheint man wirklich ein Tief zu brauchen, um ein Hoch empfinden zu können. In vier Tagen bin ich hoffentlich in Kristinehamm an der Nordspitze des Vänernsees in der Jugendherberge, um den brief mitbeten neuen Karten entgegenzunehmen. Morgen früh möchte ich im See baden und früh aufstehen. Energie ist wieder da. Schlaft gut! Tom

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