Dienstag, 25. Juni 2013

TAG EINUNDDREISSIG: Von Kinlochleven nach Fort William (14,5 Meilen)

Der letzte Tag. Und jetzt der letzte Abend hier in England, in Schottland.
Es war ein anstrengender Tag, obwohl die Strecke kürzer war als in den letzten Tagen. Ich glaube das liegt daran, dass man die ganze Zeit daran denkt, dass man es FAST geschafft hat. Dass man weiß, dass es der letzte Tag ist. Mit jedem Meter den man weitergeht, strecken sich die Meter, die noch vor einem liegen, weiter aus. Und ganz am Ende geht es dann doch ganz schnell und auf einmal steht man am Ende de Fußgängerzone, an diesem unscheinbaren Platz mit der Metallstatue eines Wanderers, der sich den Schuh ausgezogen hat und den Fuß massiert, Autos fahren vorbei und die Reise ist zu Ende.
Ich fühle mich froh und bin schon ganz damit beschäftigt, mir Gedanken über das Weiterreisen zu machen. Die Züge, die ich morgen bekommen muss. Fort William, Glasgow, Crewe, London, Portsmouth, St. Malo.

Heute war der Weg wieder ganz leer, fast keine Deutschen — an sich fast keine anderen Wanderer — und auch fast keine Midges. Es ging bergauf, zwischen hohen, grünen und grauen Gipfeln entlang, vorbei an zwei Ruinen. Dann durch einen abgeholzten Wald und auf einmal stand der höchste Berg Großbritanniens vor mir, der Ben Nevis. Einmal habe ich sogar fast seine Spitze gesehen, die eigentlich immer im Nebel verschwunden bleibt.

Schließlich habe ich noch ein paar Kilo Schokolade zum Mitbringen gekauft, zwei Cheeseburger gekauft und bin durch das dunkle Fort William zurück hierher, ins Hostel gegangen.
Ein Platz, den man so überhaupt nicht in so einem Städtchen wie Fort William erwartet. Ein rotes, altes Wohnzimmer voller alter Möbel und Teppiche, Sitzkissen und Gemälde, überall junge Leute, Karten an den Wänden, Tausende Hinweise über alles mögliche von "Stinkende Unterwäsche ist nicht sexy! Wir waschen deine Sachen für drei Pfund fünfzig!" bis zu "Erklettere den Ben Nevis mit uns!"
Gleich werde ich so leise wie möglich versuchen, in den Schlafsaal zu kommen und wahrscheinlich fast so laut wie möglich sein. Das ist, glaube ich, so ein Gesetz der Hostelschlafsääle. Und morgen früh wecke ich dann nochmal alle, wenn ich um sechs aufstehe. Das wird bestimmt toll! :)

Es war eine gute Reise, tolle Dinge sind passiert und ich werde mich bestimmt lange an jeden Platz, an dem ich Wild gecampt habe, erinnern. Ich habe leider überhaupt nicht das geschafft, was ich ursprünglich vorhatte — von Edale nach John O'Groats —, denn dafür hätte ich bestimmt noch drei Wochen mehr gebraucht. Aber diese Strecke werde ich einfach irgendwann vervollständigen. Karten mit dem eingetragenen Weg habe ich ja.
Ich ärgere mich nicht darüber, denn ich bin ja fast immer so weit gelaufen, wie ich eben konnte oder wollte. Und hätte ich jeden Tag versucht, dreißig Meilen zu laufen, hätte ich nur mein Können und meinen Willen überstrapaziert. Und würde jetzt nicht sagen "es war eine gute Reise".
Aber das war es. Und dreißig Meilen hätte ich eh nicht geschafft.

Ich bin schon gespannt, wo ich als nächstes wandern gehen werde. (Abgesehen von der Hüttentour und der Wanderung auf dem Coast to Coast Walk im Sommer, die ja schon geplant sind.) Oder wird meine nächste Reise wieder eine Radtour sein? Viele Vorzüge hat es schon: man kann mehr mitnehmen, muss nicht alles tragen, legt viel größere Entfernungen zurück und fühlt sich so auch irgendwie besser, da man mehr schafft, man kann besser nachdenken, da man eine schöne monotone Bewegung ausführt, ohne auf die eigenen Füße achten zu müssen. Aber ich weiß auch noch genau, dass mir auf der Radtour die Nähe zum Weg, den man zurücklegt, gefehlt hat, die kleinere Perspektive. Die Details. Und man konnte sich weniger frei bewegen, hatte man doch immer das Rad dabei. Alles hat gute und schlechte Seiten. Fast nichts ist nur Eines. Aber ich glaube, wenn ich, vielleicht im nächsten Jahr, wieder eine größere Reise machen kann, fahre ich wieder Rad. Es gibt ja mehrere Wege zum Nordkap. ;)

Also, man merkt es: die Reise ist noch nicht ganz vorbei und ich schwelge schon in Ideen von neuen Fahrten. Und es macht Spaß!

Damit verabschiede ich mich vorerst, vielleicht melde ich mich morgen noch einmal, der Eintrag gehört dann streng genommen aber nicht zu meinen Wanderberichten. Diese sind hiermit nun abgeschlossen. Aber vielleicht kommt nochmal ein Resümee. Auch über die Ausrüstung.
Vielleicht. :)
Bloß möchte ich die Berichte, anders als beim letzten mal, richtig abschließen. Das tue ich hiermit. Glücklich. Denn es war eine gute Zeit.

Habt vielen Dank fürs Lesen und Schreiben von Kommentaren! Danke!

Euer Tom :)



TAG DREISSIG: Vom Black Mount nach Kinlochleven (ca. 17 Meilen)

Nur Deutsche! Der Weg ist voll mit ihnen! Man kann eigentlich jeden erst einmal mit "Hallo, auch aus Deutschland!" ansprechen, denn die Chance, dass man nicht verstanden wird, ist so gering, dass ich bis jetzt damit nie falsch lag. Es hat natürlich seine Vorteile. Man kann sich besser und problemloser unterhalten, Gesprächen zuhören, ohne, dass jemand weiß, ob man sie versteht und man kann sich, während man auf halber Strecke in einem Hotel mitten im Nichts großer Berge und weiter Sümpfe einen Cheeseburger ist, heimlich über große deutsche Reisegruppen lustig machen, die in den Raum poltern.
Es tut gut, wenn es ein paar andere Wanderer gibt, die man immer wieder trifft. Vor allem, wenn man schneller ist. :)
Sind sie vor einem, motiviert einen das, Schritt zu halten. Und sind sie hinter einem, versucht man, nicht eingeholt zu werden. Man ist also mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit schneller, als man ohne sie wäre.

So zahlreich auffällig ist aber nicht nur die hohe Konzentration Deutscher pro Meter des Weges, sondern leider auch die Anzahl der Midges pro Kubikmeter. Und die sind schneller. Und aggressiver.

Ich schreibe wieder am nächsten morgen, gestern Abend war ich noch so lange in der insektenfreien Bar und habe mich über das freie WLAN hergemacht, dass ich, nachdem ich hier angekommen war und mir etwas gekocht hatte, um ein Uhr nachts keine Energie mehr hatte, zu schreiben.
Heute ist der letzte Tag, eine vergleichsweise kurze Etappe, die ich bis zum späten Nachmittag geschafft haben sollte. Mal sehen, wie es wird. Wahrscheinlich wird es sich nicht anders anfühlen als die anderen Tage. Aber ich werde mich mit irgendetwas belohnen. Eine sehr große Kaufhalle soll es da geben. Da finde ich bestimmt etwas. :)
Morgen früh nehme ich um kurz vor acht einen Zug und schlage mich dann bis zum Abend zum Ärmelkanal durch, wo ich dann in eine Fähre nach Frankreich steige, um dort mal Ferien zu machen. ;)
Ich hoffe mal, ich kriege alle Züge!
Und jetzt geht es los, noch kurz etwas einkaufen in der kleinen Kaufhalle hier und hinauf auf die Berge!
Bis heute Abend,
Euer Tom :)



Montag, 24. Juni 2013

TAG NEUNUNDZWANZIG: Von Chrianlarich zum Black Mount (ca. 17 Meilen)

Wieder ein so langer Tag. Draußen rauschen die Nadelbäume im Wind, das klingt wie große Wellen.

Sonntag, 23. Juni 2013

TAG ACHTUNDZWANZIG: Von der Ptarmigan Lodge nach Chrianlarich (ca. 19 Meilen)

Das war ein schlimmer, nasser, matschiger Tag mit blödem Anfang in einem halb eingefallenen, feuchten, von Midges umgebenen Zelt und einem guten Ende in einer Jugendheberge mit dampfenden, nach getragenen Wandersocken riechenden Trockenraum, einem Abendessen im Pub und einem geräumigen, weichen Bett in einem Sechserzimmer ganz für mich. Auch bis jetzt keine längste Etappe, es war zugleich schwerer und leichter als gedacht. Alle zehn Kilometer eine größere Pause. Ich schreibe das jetzt am nächsten morgen. Heute muss ich nicht ganz so viel, ca. 25 Kilometer statt 30 schaffen. Also mache ich mich jetzt auf den Weg. Meine warmen Schuhe warten schon im Trockenraum. Es regnet immer noch leicht und soll auch so weitergehen, aber morgen wird es trocken. Und windig soll es auch werden! Das ist gut, dann fliegen die Midges davon.

Wenn man sich, wie ich gestern, ein klares Ziel setzt, ist der Weg dahin leichter als bei einem ungewissen, ach wenn es am Ende das gleiche wäre. Glaube ich. Und jetzt gehts los! Bis heute Abend,

Euer Tom

P.S.: Das zweite Bild zeigt eine Bothy, eine Schutzhütte, auf halbem Weg zwischen Start und erster Pause. :) Da schlief noch einer, Regen trommelte auf das Dach und ich habe leise knisternd ein Frühstück verspeist.



Freitag, 21. Juni 2013

TAG SIEBENUNDZWANZIG: Vom Garadhban Forest zur Ptarmigan Lodge

Die Wellen sind ganz schön laut. Mal sehen, ob ich dabei überhaupt schlafen kann.
Mein Zelt steht an einer wunderschönen stelle am Rand des Loch Lomond. Ein kleiner, steiniger Strand, der von ein paar verwinkelt wachsenden Laubbäumen umgeben ist. Alte, glatte Äste liegen auf den Steinen herum und etwas weiter oben, kurz hinter meinem Zelt beginnt der Wald und das Gras.

Leider konnte ich all das nur bedingt bewundern und auskosten, da meine Freunde die Midges natürlich auch hier aufgetaucht sind, sie sind hartnäckig. Ich sollte mich nicht beschweren, immerhin habe ich jetzt ein echt nützliches Kopfnetz, das, wenn ich mich umgezogen habe, meine Hände zur einzigen angreifbaren Stelle werden lässt: so sehen sie jetzt auch aus. Gott sei Dank halten das Jucken und der Schmerz nicht lange an.

Oh, schön, jetzt fängt es an zu regnen. Das ist aber vielleicht gar nicht so schlecht, denn zusammen mit dem Wind, der in der letzten halben Stunde etwas stärker über den See blies, sollte so eine relativ wirkungsvolle natürliche Abwehr gegen die Midges geschaffen werden.

Jetzt bin ich schon ganz schön müde und döse beim Schreiben immer kurz weg. Also werde ich jetzt gleich schlafen, denn für morgen habe ich mir noch einige meilen mehr als heute vorgenommen und ich will mein Ziel, Crianlairch, auf jeden Fall erreichen! :)

Nun gute Nacht und bis morgen!

Euer Tom :)

PS: bis jetzt keine neuen Handtücher, aber zur Not kann man sich ja auch mit einer Fleecejacke abtrocknen! Und wer braucht schon Sauberkeit? :)
Mal sehen, ob ich morgen früh bade. Oder etwas ähnliches tue.

Donnerstag, 20. Juni 2013

TAG SECHSUNDZWANZIG: Von Milngaive zu einem 216 Meter hohen Berg am Rande des Garadhban Forest (ca. 16 Meilen)

Und wieder ist das, was mich, während ich das schreibe, am meisten beschäftigt, eine bestimmte Art sehr kleiner Mücken. Sie sind überall, die Midges. Ich habe es gerade so geschafft, das Zelt aufzubauen und mich, alle meine Besitztümer mit mir reißend, mit einem Hechtsprung hinein zu retten. Alles war hier drin. Es war ein wenig eng, aber ich konnte sogar kochen und mein Abendessen verspeisen und dann langsam, nachdem ich so schnell ich konnte alles Essen hinausgestellt hatte, meine Luftmatratze über mir aufblasen. Unter mir geht nicht, denn dann hätten meine Lungen ja praktisch die Kraft aufbringen müssen, meinen ganzen Körper nach oben zu drücken. Und neben dem Eingang zu sitzen hätte mich zur Verzweiflung gebracht. Also über mir. Es war ein wenig so, als würde man im eigenen Grab liegen und selbst immer mehr Erde hineinschütten.
Doch irgendwie habe ich es geschafft, all die Sachen und den Menschen unten und die Matte oben die Plätze tauschen zu lassen. Und jetzt ist es hier im Zelt fast so wie sonst. Nur habe ich den Rucksack noch neben mir und nicht in der kleinen Apsis. Denn wenn ich ihn hinaushieven würde, hätte ich danach bestimmt zwanzig kleine Midges mit mir hier drin.

Zum ersten mal probiere ich heute etwas, das eigentlich ganz selbstverständlich und unspektakulär klingen mag, das Gefühl des Wildcampens abe extrem verändert: Ich habe den Eingang des Außenzeltes aufgerollt und offen gelassen. So ist man nicht mehr länger erst draußen — wo ich jetzt sowieso nicht wäre — in der Wildnis und dann drinnen im schönen, warmen, sicheren Zelt mit den positive Assoziationen weckenden orangefarbenen Innenwänden. Sondern man ist dort drinnen, in dem sicheren Raum und sieht durch das Fenster aus Gaze im Innenzelt hinaus. Das ist fast wie Fernsehen. :) Oder der Blick aus dem warmen Zimmer eines Leuchtturms hinaus auf die windgepeitschte, verregnete See.
Ich sehe hinunter auf eine Ecke des dichten Waldes, an dessen Rand ich zelte und auf eine große Moorebene, an deren Enden in der jetzt dunstigen Ferne sich die Berge, die den Loch Lomond überragen, befinden. An diesem Ser werde ich morgen entlangwandern. Als ich kleiner war, waren wir bereits einmal dort und ich erinnere mich an einen langen Holzsteg und klares, sehr tiefes Wasser und Steine, die man in der Tiefe genau erkennen konnte.

Nach einem glücklichen Einkauf in einem riesigen Supermarkt, der all die Sachen, die ich immer kaufen wollte, in den kleinen Supermärkten aber nie bekommen habe, gleich dreimal hatte, bin ich heute erst spät, um halb zwei, losgewandert. Die Strecke war ziemlich ereignislos und bot vor allem wenige weite Blicke. Es ging durch dichte grüne Wälder und dann lange entlang einer alten Eisenbahnlinie, deren Gleise man nicht mehr sieht. Immer zwischen Kuhweiden entlang, aber nur über eine hinüber. :) wenn ich an einem stabilen Zaun stehen und sie beobachten kann, finde ich Kühe toll. Und wir uns die Seite des Zauns nicht teilen.
Zweimal bin ich an 'Vertrauensläden', an denen man gegen Hinterlassen eines kleinen Obolus etwas mitnehmen durfte, vorbeigekommen. Für mich war es eine Dose Cola.

Jetzt bete ich noch ein bisschen für Wind morgen früh, damit ich ohne Midges abbauen kann. Denn Abbauen dauert lange. Vor allem, weil das Zelt doch zuerst in den Rucksack muss. Also wenn kein Wind ist, der die kleinen Viecher wegblasen kann, packe ich alles im Zelt zusammen und hänge dieses dann erstmal außen an den Rucksack. In diesem Moment fällt mir ein, dass ich heute morgen meine Handtücher auf dem Campingplatz vergessen habe.
Ein Problem. Das man auf jeden Fall lösen kann.
Fortsetzung folgt ...
morgen. :)

Gute Nacht!
Euer Tom

Mittwoch, 19. Juni 2013

TAG FÜNFUNDZWANZIG: Von Kirk Yetholm nach Milngaive (viele, viele Meilen)

Meine kleinen Freunde sind wieder da. Die geliebten Midges. Und Gott sei Dank auch richtig schön viele! Wenn ich schonmal hier bin ...
Ich vertraue jetzt einfach mal drauf, dass die Gazen meines Innenzeltes fein genug sind, damit die Viecher nicht hinsurchkommen. Der segensreiche Wind, der sie vorhin noch einfach davongeweht hat, ist nun leider einfach vergangen.
Aber es war trotzdem ein spitzenmäßiger Tag! Vier Busfahrten und eine Zugfahrt liegen hinter mir. Und mitten drin stand ich auf einmal in Edinburgh. Der Bus aus Richtung Jedburgh, wo ich ein Paket, das mich im Post Office erwartete, abgeholt hatte, fuhr dorthin. Er hielt an einer Brücke und da ich zwei Minuten früher einen interessanten Laden am Straßenrand gesehen hatte, stieg ich aus. (Ich wollte auch nach Edinburgh, doch das Aussteigen und das nicht sofort einsetzende Zum-Bahnhof-Gehen verblüfften mich.)
Und da stand ich, Sonne schien mir ins Gesicht, überall waren Menschen, hohe, alte, braune Häuser, Busse, Autos, stimmen, Geschäfte. Ich war froh. Es war wie ein sonderbarer Traum, eine ausgeschnittene Stunde, deren Wahrheitsgehalt ich jetzt umso mehr bezweifle, die ich in dem kleinen Comicbuchladen und auf den sonnenbeschienenen Gehsteigen — und in einem McDonald's — Edinburghs verbrachte.
Und dann nahm ich einen Zug und fuhr zurück in die Welt.
Edinburgh kam mir sehr vertraut vor und ich wusste genau so ih hinmusste, da ich ja schon einmal dort gewesen bin. Das war ein gutes Gefühl.
Schließlich bin ich mit dem Zug hier angekommen, in Nilngaive, einem nördlichen Stadtteil Glasgows, in dem der West Highland Way beginnt.
Und morgen geht es los.

Kleine lustige Geschichte:
Ich sitze in dem kleinen Vorraum des Bades des Campingplatz, mein Handy lädt, ich lese etwas im Internet. Ein Hund kommt hinein. Um ganz natürlich zu wirken und keinen Verdacht zu erregen, stupst er mich kurz halbherzig an und schnüffelt uninteressiert. Dann, den Eindruck von kompletter Willkür erwecken wollend und trotzdem sehr zielstrebig geht er auf eine Klokabine zu, geht hinein. Hebt das Bein und pinkelt an die Kloschüssel und geht, als wäre nichts passiert, wieder hinaus.

Damit gute Nacht und bis morgen!

Euer Tom :)



TAG VIERUNDZWANZIG: Von Russel's Cairn nach Kirk Yetholm (ca. 14 Meilen)

Ich habe es geschafft. Ich sitze in einem kleinen, merkwürdig ausgestatteten Aufenthaltsraum der Naturfreunde-Jugendherberge in dem winzigen Ort Kirk Yetholm und habe den Pennine Way abgeschlossen. Und ich bin sehr zufrieden! Laut einem Zertifikat, das ich im Pub neben einem Ale — das gratis war — und Fish and Chips und Eiscreme — die ich bezahlt habe— bekommen habe, liegen nun 268 Meilen hinter mir. Das sind, sowohl, wenn ich umrechne, als auch, wenn ich meinen Wanderführer konsultiere, ziemlich genau 429 Kilometer.
Ich habe hier in diesem merkwürdigen Raum mit schottenrockgemustertem Teppich und an eine Arztpraxis erinnernden Kunstlederstühlen in einer Ecke hinter einem der besagten Stühle ein großes, sehr schweres Buch entdeckt. Es ist bestimmt so groß wie die weiche Sitzfläche einer dieser Stühle und halb so dick wie eine richtig dicke Kirchenbibel. Darauf steht, in goldenen Lettern auf dunkelgrünem Grund:
"The Pennine Way". Es ist ein alter Atlas und enthält einundvierzig große, zerknitterte, sorgfältig mit Folie eingepackte Karten, die — bis auf einige etwas absurde nicht wirklich dazugehörende Karten — die den Wegverlauf dieses ältesten Fernwanderwegs Großbritanniens darstellen. Als ich so dasaß und die weiten Seiten umschlug und dafür fast meine gesamte Armspanne beanspruchen musste, merkte ich, dass manche Ortsnamen mit gar nichts mehr sagen; ich mich nicht einmal mehr erinnern kann, diese Gemeinden passiert zu haben. An den Namen Hawes erinnere ich mich zum Beispiel noch. Aber wie der Ort war, ob und wo ich dort übernachtet und vielleicht sogar dort eingekauft habe, entzieht sich meiner Erinnerung. Ich kann allerdings sagen, wenn ich auf die Karte Blicke, dass ich dort, vielleicht zwei Meilen südlich der Stadt, beim Dodd Fell, lange saß und überlegt habe, ob ich noch weitergehen soll. Ich weiß, wie die Landschaft aussah, wie ich die Berge im Tal mit den winzigen, ganz komisch und anders proportionierten grünen Fleckchen auf der Karte abzugleichen versuchte, ih erinnere mich an die Vorfreude auf die Mittagspause und die Pause selbst — sogar daran, was ich gegessen habe: einen 'Flapjack' mit Blaubeeren. War sehr lecker. Und dann noch einen zweiten, den aber nur zur Hälfte. Denn er war ja eigentlich für den nächsten Tag.
Ich kann mich auch noch erinnern, wie ich am Abend zuvor im Pub war, wie ich eine SMS von der Telefonzelle verschickt habe und überlegt habe, ob ich am nächsten Tag wild campen oder bis Hawes gehen will. Hawes fände ich von der dann zurückgelegten Strecke zufriedenstellender, wildcampen hätte mir in allen anderen Belangen mehr zugesagt.
Aber wie Hawes war? Keine Ahnung.

Interessant ist auf jeden Fall, dass ich mit bestimmten Punkten, die mit zu treffenden Entscheidungen viel zu tun hatten, auch viel verbinde. Je öfter ich irgendwo auf die Karte gesehen habe, desto besser weiß ich jetzt noch, wie es dort aussah und wie ich mich fühlte.
Gleichzeitig fällt aber auch der Prozess des Aussortierens, den das Gehirn die ganze Zeit durchführt, sehr stark auf. Viele Ortsnamen sagen mir überhaupt nichts, denn ich wusste ja eh, dass der weg mich in einen Ort führen würde. Dafür lassen mich bestimmte Linien, die Weiden abgrenzende Mauern darstellen, an die Frage, wo an dieser Mauer ih mein Zelt aufbauen sollte, denken.
In einer Woche werden wieder viele Bilder, Informationen und Erinnerungen verschwunden oder zusammengefasst sein — und das ist vielleicht auch gut so. Denn es kommt ja immer mehr dazu.

Denn: Morgen fahre ich kurz nach Jedburgh, hole etwas in Post Office ab und versuche dann, auf dem kürzesten Weg nach Glasgow und dorthin, wo der West Highland Way beginnt, zu kommen. Ich habe noch keinen konkreten Plan, kein Zugticket. Nur eine erste Entscheidung: ich nehme den Bus um 9:20 nach Kelso, das ist eine etwas größere Stadt hier in der Nähe und ein Knotenpunkt für bestimmt zwei oder sogar die unglaubliche Zahl von drei Buslinien. Eine von diesen versuche ich dann zu erwischen, um nach Jedburgh zu kommen.
Das wird bestimmt ein spannender Tag, an dem nichts so läuft, wie ich jetzt und kurz vorher denke. Ich bin schon sehr gespannt, von wo ich Euch morgen schreiben werde. Das ungewisse daran ist sehr verlockend; und mit meinem Schlafsack kann ich ja auch auf irgendeinem kleinen Bahnhof schlafen. Vielleicht kann ich ja auch am Ende des Gleises mein kleines, feines, grünes Zelt aufschlagen und die Spannleinen mit Steinen aus dem Gleisbett befestigen.
Mal sehen!
Was so kommt. :)
Aber ein Tag voller Reise, Fahren und Warten ist mir nach den drei Wochen Wanderung sehr willkommen.

Um noch einmal auf die Zahlen zurückzukommen:
Meine Wanderzeit beträgt eigentlich nur 21 Tage, denn zwei habe ich in Bellingham krank verbracht und der erst war der Tag meiner Ankunft, an dem ich zwar auch ein Stück zum Hostel laufen musste, aber nicht auf dem Pennine Way.
Die Strecke von 429 Kilometern ist wahrscheinlich zu kurz, schon allein wegen der vielen Kühe, die ich weitläufig umrundet habe. Aber mit ihr als Grundlage kommt man auf rund 20,4 Kilometer pro Tag. Das ist jetzt nicht der Hammer, aber ich bin sehr zufrieden damit. Wäre es mehr, hätte ich weniger Spaß gehabt.

Also, satt und zufrieden werde ich jetzt gleich ins Bett in dem großen Schlafsaal gehen, den ich mir mit einem anderen, alten und laut der Hostelaufseherin sehr (zu) gesprächigen Mann teile. Sie hat mir empfohlen das Bett in der Ecke zu nehmen, soweit weg von ihm wie möglich. Ich bin gespannt. Nett sah er aber aus. Und auf mein 'hello' hat er nur dasselbe geantwortet.

In freudiger Erwartung auf die Ungewissheit von Morgen:
Gute Nacht!

Euer Tom



Dienstag, 18. Juni 2013

TAG DREIUNDZWANZIG: Vom Byrness Hill zu Russel's Cairn (ca. 12,5 Meilen)

Nie auf der Reise habe ich einen anderen Wildcamper gesehen. Einer oder zwei haben gesagt, dass sie es machen aber ein anderes Zelt in den Bergen habe ich nie gesehen. Das heißt wohl entweder, dass ich gute, abgeschiedene Plätze ausgewahlt habe oder, dass sie das gemacht haben. Oder beides.
Aber heute, an dem Tag, an dem mir nur ein anderer Wanderer begegnet, komme ich auf den letzten Metern gleich an zwei kleinen Zelten vorbei. Ganz offensichtlich aufgebaut, direkt am Weg. Und so steht meines jetzt auch. Denn hier ist die Grenze. Hier beginnt Schottland und in Schottland darf man wild campen! :)

Auch, wenn ich weniger gelaufen bin als am Vortag war es trotzdem anstrengender, es ging auf und ab durch sumpfige Heide, die von den klaren weißen Büscheln eines Gewächses — Wollgras? — bedeckt ist. Ein paarmal bin ich bis zum Knöchel eingesunken und habe dabei lustige 'Uhmpf'-Geräusche gemacht. Aber ein großer Teil des Weges war mit Steinplatten ausgelegt und der Wind und die Trockenheit des Tages haben keine Schuhe schnell wieder getrocknet.
Es ging immer höher hinauf und man konnte immer weiter in die erst grüne und braune und dann immer blauer werdende Ferne sehen, in der sich die Berge wie verschiedene aus blauem Papier ausgeschnittene Formen hitereinanderreihten.
Hier, wo mein Zelt steht, hat man schließlich einen großartigen Blick in ein weites grünes Tal, voller welliger Berge und sanfter großer Formen. Es sieht aus wie die Falten eines riesigen Lebewesens.

Als ich schließlich angekommen war, war ich erschöpft, aber sehr zufrieden, dass ich trotz der größeren Anstrengung mein geplantes Ziel erreicht hatte.

Und ehrlich gesagt schreibe ich diesen Eintrag erst am nächsten morgen. :) Denn gestern Abend bin ich einfach eingeschlafen, als ich den Titel fertig hatte.

Ich erinnere mich noch an einen Moment als ich auf dem Gipfelstein des Berges Windy Gill saß und mich umgesehen habe. In jede Richtung konnte man so viele Berge und Täler sehen, dass man sie nicht hätte zählen können. Die Welt ist weit.



Sonntag, 16. Juni 2013

TAG ZWEIUNDZWANZIG: Von Bellingham zum Byrness Hill (ca 15,5 Meilen)

Ich habe heute etwas über Midges gelernt — über diese kleinen Insekten, so groß wie Fruchtfliegen und so unliebsam wie Mücken: Es dauert ein bisschen, bis sie bemerken, dass man sich nicht mehr bewegt und ALLE zu einem kommen. Ungefähr so lange, wie es dauert, sein Zelt halb aufzubauen.

Dieses gehört zu einer Reihe von kleinen Unglücksfällen, die heute passiert sind. So stachen mich nicht nur die Midges und zwangen mich, das Zelt panisch wieder abzubauen, alles zu verpacken und davonzueilen, sondern mir lief auch eine Wasserflasche im Rucksack aus. Eigentlich nicht besonders schlimm, die besonders wichtigen Sachen bewahre ich ja in wasserdichten Packbeuteln auf. Aber mit dem Schlafsack und der Luftmatratze gehe ich schon lange nicht mehr so um, weil sie dadurch viel umständlicher zu verpacken sind. Sie waren ganz unten. Dort, wo das Wasser hinläuft. Jetzt ist mir trotzdem ziemlich warm, von der Nässe spüre in nichts mehr.
Außerdem war der Weg an manchen Stellen — interessanterweise besonders, nachdem ich von den Insekten vertrieben worden war und eigentlich keine große Lust hatte, mehr weiterzulaufen, hatte ich meinen Rucksack doch schon einmal erleichtert ins Gehölz geworden — eine Katastrophe. So schlammig und nass, dass man eher eine Art Moonwalk den Berg hinauf durchführte. Und das zwischen dichten, dunklen Nadelbäumen und vielen, vielen Midges.
Und zuletzt ging heute morgen der Geldautomat in Bellingham nicht mehr, der gestern noch funktioniert hat. Also muss ich jetzt ein paar Tage mit der Kreditkarte und den verbliebenen 34 Pfund auskommen. Der nächste Geldautomat erwartet mich in Jedburgh, in drei Tagen.

Und obwohl alle diese unangenehmen oder unerwünschten Dinge passiert sind, war es doch ein absolut wünschenswerter Tag. Ich war draußen. Bin gelaufen. Habe viel geschafft, besonders für den Tag nach zwei Tagen Pause. Und gerade diese Dinge sind es, aus denen ich lerne, die ich später erzählen werde und die ich überstanden habe. Gäbe es keine Herausforderungen auf dem Weg, hätte ich auch zu Hause bleiben können. Man wird sich eher an die Nacht mit Gewitter und Sturm im Gebirge im Zelt erinnern, als an die ruhige auf einer friedlichen, blumenbestandenen Waldlichtung.
Ich bin also froh, dass mir das alles passiert ist. Wenig Wasser habe ich übrigens außerdem noch. Ich hoffe, dass ich morgen an einem Fluß oder Bach vorbeikomme: zwei Tage nur Berge ab jetzt.

Die Cheviots. Das wird toll.

Gute Nacht an alle!
Euer Tom :)





Samstag, 15. Juni 2013

TAG EINUNDZWANZIG: In Bellingham (0 Meilen)

Null Meilen. Sagt fast alles. Ich habe mich ausgeruht, fühle mich viel besser. Morgen geht es weiter! Freue mich schon sehr.
Ich habe die Stadt erkundet, ihre vier Läden, war im Pub und im Bett. Und da gehe ich jetzt auch wieder hin. Gute Nacht! Morgen schreibe ich wieder mehr, dann gibt es auch mehr zu erzählen!
Euer Tom :)

PS: Gehe gerade durch eine dunkelblaue englische Nacht, denn im Bed And Breakfast habe ich kein Netz. Laufe die fünfzig Meter hinauf zur Brücke, da gibt es welches. Der Wind ist kühl und frisch und riecht spannend. Sterns sind auch da. Wenn man Wild campt sieht man die komischerweise gar nicht so oft. Man will ja nicht raus aus dem schönen warmem Zelt. Gute Nacht!

TAG ZWANZIG: Vom Ealinghamrigg Common nach Bellingham (ca. eine halbe Meile gelaufen, den Rest mit einem Taxi)

Ich bin aufgewacht und war krank. Alle Glieder fühlten sich schlapp und kraftlos an, mit war übel, ich hatte Bachschmerzen, mein Kopf hat sich schwummerig angefühlt und schon das Öffnen kostete mich große Kraft.
Irgendwie habe ich es, ganz langsam, geschafft, all meine Sachen zu verpacken, das Zelt abzubauen, die Luft aus der Matratze zu lassen. Mehrmals schlief ich bei meinen kleinen Pausen auf den Rucksack gelehnt fast ein. Irgendwann war dann alles eingepackt und ich schwang mir das schwere Ding auf den Rücken. Interessanterweise merkte ich, dass meine Muskeln eigentlich noch ganz gut mitmachten, aber — vom Gefühl her — die Knochen nicht.
Ich erreichte die erste Straße, rief ein Busunternehmen an, erfuhr, dass der nächste Bus in den Ort erst eine Dreiviertelstunde später kommen würde. Also lehnte ich den Rucksack an den Baum, stellte mir auf dem Handy einen Wecker und schlief.
Den Bus habe ich verpasst. Obwohl ich rechtzeitig wieder wach war. Ich habe beim Wandern ein irgendwie gruseliges Zeitgefühl entwickelt. Oft wache ich genau eine Minute, bevor der Wecker klingeln sollte, auf.

Ich bin nun in Bellingham, das man Belling-Jam ausspricht, liege in einem großen, bequemen Bett, höre draußen den dunklen Regen und ruhe mich aus. Auch morgen werde ich noch hier bleiben, um wirklich gesund werden zu können. Denn ich will nicht, dass ich auf einmal irgendwo im einsamen Gebirge der Cheviots, durch die der Weg an den letzten beiden Tagen führt, nicht mehr weiterkann.
Also lieber jetzt erholen und die letzten neun Tage der Reise fit sein!

Zuletzt zwei kleine Geschichten:
Nummer eins: ich gehe in den Supermarkt, um mir vielleicht etwas kleines zu essen und zu trinken zu kaufen. Mein Gefühl und Appetit lassen mich eine Packung Blaubeeren, einen Apfel und Ginger Ale kaufen. Ich habe keine Ahnung, ob ich solche Sachen überhaupt essen sollte, wenn mir übel ist und ich mich fieberig fühle. Also sehe ich im Internet nach. Und Blaubeeren und Ingwer sind genau richtig für mich. Ich war total beeindruckt. Man sollte seinem Körper vertrauen.
Nummer zwei: auch in Supermarkt, ich frage den Verkäufer, wo man Handyempfang habe. Er: welchen Anbieter hast Du denn? Ich: Lycamobile. Er überlegt kurz. Lyca? Dafür musst Du der Straße folgen, bis zur Brücke gehen.

Als hätte jedes Netz hier seinen eigenen Platz. Und die Einwohner kennen sie.
Spannend.
Jetzt schlafe ich, ich freue mich schon auf einen weiteren Erholungstag!
Gute Nacht und bis morgen,

Euer Tom :)

Donnerstag, 13. Juni 2013

TAG NEUNZEHN: Von der Winshields Farm zum Ealinghamrigg Common (ca 16 Meilen)

Es wird erst spät dunkel hier. Bestimmt erst gegen halb elf. Darum bleibe ich meistens lange wach. Wenn ich dann im Zelt liege, gilt es noch den Blog zu schreiben. Und auf einmal ist es — wie jetzt — schon halb eins. Und dabei möchte ich doch immer früh aufstehen, um viel schaffen zu können. Heute ist mir das nicht gelungen. Um halb acht klingelte mein Wecker und es regnete.
Leises Klappern der Tropfen auf das Zeltdach. Da hat man wirklich überhaupt keine Lust, aufzustehen. Man muss sich so viel stellen: der Kälte, der Feuchtigkeit, dem anziehen, den vielen zu verpackenden Dingen, dem Frühstückmachen, Zähneputzen. Also bleibt man lieber, wie ich heute, einfach liegen.
Irgendwann bin ich dann doch aufgestanden, habe geduscht, mir Porridge zum Frühstück gemacht und es mir auf die Hose gekippt.
Es war heiß und klebrig. Zum Verzweifeln. Meine Kleidung hat immer noch überall Flecken. Ich schaffte es, auch damit fertig zu werden, verließ nach einem kurzen Gespräch mit einer Gruppe englischer kleiner Jungen den Campingplatz, deckte mich in einem Nationalpark-informationsbüro mit Schokoriegeln und Chips ein, ließ kurz später den Hadrianswall hinter mir und begab mich in verlassenes Waldland. Endlich keine Touristen. Und zum ersten mal auf dem Weg ein richtiger Wald! Dichte Bäume, Stille, Waldwege. Eine ganz andere Erfahrung, über die ich mich sehr gefreut habe. Jetzt Campe ich wild, etwas außerhalb von Bellingham, dem letzten Ort, an dem ich dem ich mir auf dem Pennine Way Essen kaufen kann.
Der Plan steht fest: morgen Abend Campingplatz, dann Wildcampen, dann ist es geschafft.
:)

Gute Nacht nun, mir fallen die Augen zu!

Eher Tom :)





Mittwoch, 12. Juni 2013

TAG ACHTZEHN:Von Burnstones zur Winshields Farm

Guter Tag mit ein wenig Regen am Ende. Milchpulver war eine gute Idee.

Tom :)

Dienstag, 11. Juni 2013

TAG SIEBZEHN: Von Garrigil nach Burnstones (ca. (!) 12 Meilen)

Es ist richtig laut draußen. So viele Schafe bevölkern das Moorlqnd um mein Zelt und das grüne Tal unter mir, dass ihr Blöken einen richtigen Klangbrei bildet, der in ihm liegt. Es ist lustig und wird — Gott sei Dank — immer weniger. Gerade eben hat es stark geregnet und ich habe schon die erste große Probe für dieses Zelt erwartet. Hat aber gleich wieder aufgehört. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem letzten Satz noch ein 'leider' hinzufügen möchte. Denn einerseits wäre starker Regen doch gut, um ein und für alle Mal herauszufinden, ob das Zelt damit umgehen kann. Aber andererseits kann ich ohne ihn sorgenfreier einschlafen. Es war ein schöner, aber grauer, aber schöner Tag. Kein Moor mehr, sondern das lange grüne Tal, das, glaube ich, Tyne Valley genannt wird. Stärker sind wehte und das war gut, die Bäume rauschten und man hat nicht geschwitzt. In Alston war ich in einem extrem neuen Spar einkaufen, ganz beseelt von der Günstigkeit und Diversität der Produkte. Ich habe den Cous Cous für mich entdeckt — einfach perfekt zum Wandern! Er verbraucht wenig Wasser, wenig Gas und ist in ungefähr sechs Minuten fertig. Und passt zu fast allem. Heute k
Korma, morgen Chilli con Carne. Und morgen der Hadrians Wall. Ich freue mich schon darauf. Damit beginnt die nächste Etappe meiner Reise. Dann bin ich auch schon bald an der schottisch-englischen Grenze. Ich glaube, mein Ziel ist Fort William am Ende des West Highland Way. Ohne Zug werde ich seinen Anfang wohl nicht erreichen. Mal sehen. Fast zwei Wochen bleiben mir ja noch.

Irgendwann werde ich die End-to-End Route von Lands End nach John O' Groats geschafft haben. Das ist mein Ziel. Nicht unbedingt in nur einer oder zwei Wanderungen, aber im Laufe der Zeit. Und vielleicht werde ich sie ja doch mal in einem Stück machen. :)

Jetzt schlafe ich. Ich bin schon ganz gespannt, morgen früh zum ersten Mal Milchpulver auszuprobieren.
Gute Nacht!
Bis morgen!

Euer
Tom :)





Montag, 10. Juni 2013

TAG SECHSZEHN: Vom Sing Beck nach Garrigil (ca. 14 Meilen)

Alle dreißig Minuten höre ich ein merkwürdiges Sprüh-Geräusch. Dann strömt durch diesen Raum, der voller unglaublich weicher Sofas und Sessel ist und von dem riesigen Fernseher in der Ecke irgendwie dominiert wird, ein süßlicher Geruch, der wohl an Lavendel erinnern soll.
Ich bin in einem Bed And Breakfast — eigentlich wollte ich das erst gar nicht, aber jetzt bin ich doch sehr froh darüber. Ich habe lange geduscht, meine sachen gewaschen, war im Pub und genieße jetzt die Segen des freien WLANS, während ich im Fernsehraum sitze. Ich bin der einzige Gast und störe also niemanden.
Die lange, laut meinem Wanderführer so unglaublich anstrengende und ermüdende Etappe über den höchsten Berg Englands außerhalb des Lake Districts — ich bitte alle um Entschuldigung, denen ich etwas anderes erzählt habe, ich hatte mich sozusagen verlesen —, Cross Fell, war eigentlich ziemlich leicht. Ein bisschen neblig und der Boden war wegen der ganzen Schnaken, die sich wegen des starken Windes an ihn klammerten, fast nich nur sichtbar. Aber sonst war es super. Ich hatte ja auch ein ganz klares Ziel. Das hilft sehr. Morgen komme ich durch Alston, dem vorletzten Ort auf dem Pennine Way mit Kaufhalle. Dann wandere ich weiter in Richtung des Hadrians Wall, den ich übermorgen Mittag erreichen sollte. Ich freue mich schon, wieder wild zu campen. Einfach spannender.
Jetzt bleibe in noch ein bisschen unvernünftig lang auf und dann gehe ich schlafen. Ich freue mich schon aufs Frühstück.
Bis bald!
Euer Tom
:)

P.S.: die bunten Wimpel hängen in einer kleinen Schutzhütte, Gregs Hut, in der ich zu Mittag gegessen habe. :)





Sonntag, 9. Juni 2013

TAG FÜNFZEHN: Vom Maize Beck zum Sing Beck (ca. 8,5 Meilen)

Das Zu-Bett-Gehen ist immer toll. Schnell sind Zelt und Luftmatratze aufgebaut und aufgepumpt. Dann noch den Schlafsack reinschmeißen, eine wärmere Jacke — oder überhaupt eine — anziehen und schon kann man sich etwas zu essen machen, sich für die Strapazen des Tages belohnen. Und dann, nachdem man einen großartigen Sonnenuntergang gesehen und etwas gelesen hat, verschwindet man in der Wärme und im Windschutz, den Zelt und Schlafsack bieten.
Und schreibt da seinen Blogeintrag.
Beim Aufstehen ist alles gespiegelt. Man muss AUS der Wärme hinaus in den Wind und den schönen Schutz, den man sich errichtet hat, abreißen, alles verpacken. Da das Zelt aber als erstes in den Rucksack kommt, da ich es ganz nach unten packe, muss ich also alles herumliegen lassen, alles notdürftig verpacken, bis das Zelt hineinkann. Und dann muss man eigentlich noch das Essen draussen lassen fürs Frühstück und deswegen ja auch die Zahnbürste, das Wasser. An Morgen stehe ich also regelmäßig vor einem Berg Dinge und bin überfordert. Und darum schlafe ich vielleicht auch so lang. Weil ich nicht herauswill und mich dem stellen möchte.
Heute bin ich darum auch erst gegen halb elf losgewandert, kam aber schnell zum High Cup Nick, einem atemberaubenden Tal mit hohen Klippen, das mich irgendwie an Dinosaurier denken ließ, die mit langsam wiegenden Hälsen hindurchschreiten. Leider waren heute keine da.
Es ging nach einem langen Telefonat — endlich wieder Netz! — immer weiter hinunter bis zu dem Ort Dufton, der weder den erwarteten Laden noch das erhoffte Essen im Pub, aber immerhin öffentliche Toiletten und viele Engländer um lustige bunte Kutschen versammelt zu bieten hatte. Danach stieg ich langsam wieder hinauf, führte das zweite Telefonat, ging einen riesigen Bogen um einige Kühe und landete schließlich auf diesem kleinen geraden Bergrücken, den man geographisch bestimmt nicht als solchen bezeichnet, von dem aus ich halb England überschauen zu können glaube. Wolken türmen sich, Sonnenstrahlen kommen hindurch, ein toller Platz.
Jetzt ist es dunkel und ich schlafe nun.
Gute Nacht!

Euer Tom :)





TAG VIERZEHN: Von Middleton-in-Teesdale zum Maize Beck (ca. 15 Meilen)

Ich habe einen ruhigen, friedlichen Ort gefunden, um mein Zelt aufzuschlagen. Direkt neben dem militärischen Sperrgebiet. Es ist noch hell, ich kann das gelb meiner Luftmatratze, das rot meines Schlafsacks und die Bräune meiner Haut gut sehen. Obwohl eine rote Flagge gehisst war, ist i. Dem Sperrgebiet nichts los. Dabei warnte eine Hinweistafel vor Feuerübungen, niedrig fliegenden Kampfflugzeugen, Minen und, ich glaube, sogar Panzern. Naja, mal sehen, vielleicht werde ich ja mitten in der Nacht von sanften Glockenklang einiger Bazookas meiner Träume entrissen.

Der Weg geht nun endlich wieder durch Moorland, das sich hier ja unerwarteterweise auf den Bergen, und nicht an ihren Füßen befindet.
Das heißt, dass die Landschaft seit der Mitte des Tages wieder einsam, karg und rotbraun ist. Das heißt: schmatzende Schlammgruben, endlose Wege aus Steinplatten durch hohes Gras, nur Schafe, keine Kühe, weite Sicht, allein sein. Während ich das schreibe, habe ich außerdem kein Netz. Komisch, man erhofft sich von so einer reise eigentlich Einsamkeit, Abgeschiedenheit, das Auf-sich-allein-gestellt-Sein. Aber wenn man sie dann hat, wenn man wirklich allein da sitzt, seine Nudeln ist und sein Buch in den letzten Strahlen der langsam hinabwandernden Sonne liest, dann wünscht man sich doch einen oder zwei kleine Balken, die einem zeigen, dass man verbunden ist. Eigentlich ist das toll: solche Reisen zeigen einem, wie wichtig einem Menschen an sich und besonders die um einen herum sind. Das vergisst man manchmal zu schnell im normalen Alltag.
Darum gefällt es mir vielleicht auch meistens gut, beim Wandern Hörspiele zu hören. Da ist jemand, ein Mensch, der mit mir redet, die ganze Zeit. Und dann ist es auch noch spannend.
Das Wandern ist anstrengend. Ich dachte eigentlich, dass ich mich nach einer Woche oder so daran gewöhnt haben würde und ich mich so fühlen würde, als wäre da gar kein Rucksack auf meinem Rücken. So ist es leider nicht. Mein Rücken tut weh, ich bekomme immer noch neue Blasen, habe blaue Flecken an den Hüftknochen und schmerzende Beine. Aber das ist es wert! Es ist ein tolles Gefühl, auf die letzen zwei Wochen zurückgucken zu können und zu sehen, was ich schon geschafft habe. Und abgesehen davon macht das Wandern an sich natürlich auch Spaß! Am besten ist es aber trotzdem am Ende des Tages, wenn man wieder etwas geleistet hat. Leider habe ich für diese Tour bis jetzt kein wirkliches Ziel wie auf der Radtour zum Nordkap. Ich weiß nur, dass ich mein eigentliches Ziel, John O'Groats, nicht erreichen werde. Dann hätte ich jeden Tag mindestens 20 Meilen schaffen müssen. Und dann wäre gar nichts mehr Spaß gewesen. Also werde ich mit wohl ein neues, realistischeres Ziel suchen müssen. Wenn ich den Pennine Way beendet habe natürlich. Entweder setze ich meine Reise nach John O'Groats einfach fort, um zu sehen, wie weit ich komme. Die geht dann aber durch das dicht besiedelte Gebiet zwischen Glasgow und Edinburgh. Und das soll nicht toll sein. Oder ich fahre gleich nach Glasgow und beende meine Reise mit dem West Highland Way. Fort William ist sein Ende und eigentlich ein gutes Ziel. Mal sehen. Erst einmal kommt wahrscheinlich übermorgen der Hadrians Wall, dann die schottische Grenze und schließlich das Ende des Pennine Way in Kirk Yetholm.

Meine Augen fallen zu. Immer noch erkenne ich die Farben im Zelt, immer noch nichts los im Sperrgebiet.

Gute Nacht!
Bis bald,

Euer Tom :)

TAG DREIZEHN: Von Bowes nach Middleton-in-Teesdale (ca. 11 Meilen)

Ich habe einen hohen Respekt vor Kühen entwickelt. Seit mich die Kuhmutter gestern Nachmittag angreifen wollte — und das wohl auch zu Recht, es waren mehrere Kälber in der Nähe — bleibe ich jedes mal wie angewurzelt stehen, wenn ich auf Kühe treffe, und sage etwas wie "Oh scheiße." Das habe ich übrigens auch gesagt, als du Kuh gestern auf mich zukam, sich aufbäumte, den Kopf hin- und herschüttelte und schnaubte.
Als ich in Skandinavien war, habe ich mir viel zu dem Thema, wie man mit großen Säugetieren umgeht, die es auf einen abgesehen haben. Bären oder Elche zum Beispiel. Dass ich das bei einer Kuh mal gebrauchen können würde, hätte ich nicht gedacht. Und so habe ich in dem Moment, als sie auf mich zukam, auch prompt alles vergessen und mich umgedreht und bin weggerannt. Wenn sich all die "Wenn du einem Bären begegnest"-Flyer in einem einig waren, dann darin, dass man nicht weglaufen sollte. Gott sei Dank konnte ich mich schnell hinter ein "Cattle Grid", also ein grobes Gitter auf dem Boden, das Kühe und Schafe wegen ihrer Hufe nicht überqueren können, retten.

Heute ergab sich eine neue Gelegenheit. Nachdem ich die erste Kuhherde bereits weiträumig umgangen war und dabei bestimmt fünfzehn Minuten nicht eingespart hatte, stand ich nach dem Öffnen eines Tores zu einer Farm erneut vor einer Kuh. Diese war allein auf der Weide, sah mich an und stand ganz still da. Ich auch. Dazu kam es übrigens heute immer, wenn ich Kühe erspähte: ich still. Sie still. Bestimmt macht es das noch schlimmer.
Ich drückte mich langsam am Farmgebäude an der Kuh vorbei und redete, wie ich es aus den Flyern wusste. Langsam und ruhig. Sie machte einen Schritt auf mich zu. Während mein Gehirn die nächsten Fluchtmöglichkeiten suchte, redete ich noch langsamer und ruhiger. Sie blieb stehen und langsam entfernte ich mich. Irgendwann legte sie sich hin und war so erleichtert, als wäre das Gewicht meines Rucksacks gerade halbiert worden.
Irgendwie geht es also doch. Und eigentlich sind es nur Kühe, Tiere, die man kennt, an die man gewohnt ist und die an Menschen gewohnt sind. Aber seit gestern habe ich enormen Respekt vor ihnen. Immerhin wurden vor nicht allzu länger zeit zwei Wanderer in England von Kühen totgetrampelt. Ich bleibe vorsichtig und gehe langsam über Weiden, Dinge wie "Gute Kühe, gute Kühe, das macht ihr sehr gut, bleibt einfach stehen" mit ruhiger, langsamer stimme sagend.
Immerhin fühlt man sich nach der ganzen Demütigung durch die Nutztiere und dem Gefühl von Verwundbarkeit wieder richtig stark und mächtig, wenn die Schafhherden vor einem auseinanderstieben.
Ich bin für sie sozusagen die Kuh.

Worüber ich so schreibe. :)
Ich liege übrigens im Zelt auf einem Campingplatz in Middleton, dem nächsten größeren Ort für ungefähr drei Tage. Ich habe viel zu viel zu essen gekauft und will morgen sehr früh aufstehen. Eine Länge Etappe liegt vor mir, die ich kurz vor ihrem eigentlichen Schluss in dem kleinen Ort Dufton irgendwo im Gebirge mit Wildcampen beenden möchte. Ich freue mich schon darauf. Genug zu essen habe ich ja.

Übrigens habe ich leider oft in den Tälern — wo die Orte und meist auch die Campingplätze sind — keine gute oder gar keine Handynetzverbindung. Mitten auf irgendwelchen einsamen, moorigen Bergen dann schon. Darum kann es sein, dass es manchmal etwas dauert, bis ich die Einträge hochladen kann.

So, ich hoffe, dass ich nicht von Kühen träumen werde und schlafe jetzt. Gute Nacht!

Euer Tom

Donnerstag, 6. Juni 2013

TAG ZWÖLF: Vom Kisdon nach Bowes (ca. 15 Meilen)

Ein extrem anstrengender Tag. Als ich dachte, jetzt würde ich gern aufhören, waren es noch sechs Meilen. Es war heiß und die Landschaft trostlos. Aber jetzt bin ich im letzten freien Zimmer eines Bed and Breakfast in dem kleinen Ort Hawes, sehe fern, habe lange geduscht, meine Sachen gewaschen, lade meine elektrischen Geräte auf uns freue mich auf mein Frühstück um neun Uhr.
Anstrengende Tage müssen sein. An die erinnert man sich besonders. Und an Kühe, die einen angreifen wollen. Es aber nicht schafften, weil man schnell genug von der Weide war. Und dann einen langen Umweg nehmen musste.
Jetzt, zum ersten mal seit knapp zwei Wochen, ein richtiges Bett. Ich freue mich schon.
Gute Nacht!
Bis morgen.
Tom :)

Oh, und ich war im höchsten Pub Englands. Der ist klasse!

TAG ELF: Von Hawes zum Kisdon (ca. 11 Meilen)

Draußen senken sich graue Wolken auf die Berge nieder und bedecken alles, es wird Nacht und das Licht verschwindet hinter den Gipfeln. Mein Zelt steht auf dem kleinen Berg Kisdon, der, soweit ich das mit Hilfe meiner Augen und der Karte einschätzen kann, auf allen Seiten von grünen Tälern und weit hinaufreichenden Schafweiden umgeben ist. Dort, wo die Schafweiden an seiner Südseite enden, hinter der letzten Mauer, schlafe ich.
Es ist still; es fliegen keine Kampfjets mehr über die Moore, die Schafe scheinen auch zu schlafen. Nur ein paar Vögel flogen noch umher und zwitschern. Und überall sind diese misteriößen, toten Hasen. Es gibt auch lebende, aber ich habe heute definitiv mehr tote gesehen. Ich frage mich, ob sie von anderen Tieren — den Vögeln? — gerissen oder vielleicht sogar erschossen werden. Auf jeden Fall liegen sie überall herum.

Ich bin heute erst sehr spät losgewandert, weil ich erstens wie immer viel zu spät aufgestanden bin und zweitens noch viel in der Stadt erledigen musste. Verlassen habe ich sie mit einem tollen, australischen Lederhut, einem enorm großen Vorrat an Essen für die nächsten drei Tage, zwei kleinen Stück Seils vom lokalen Seilmacher und zwei köstlichen Karamell-Shortbeeads im Bauch.
Der Rucksack war höllisch schwer, heute war das Tragen selbst ziemlich anstrengend. Ich musste mich jede Viertelstunde hinsetzen und ausruhen. Das Tolle ist aber, dass ab jetzt der Ruckack leichter wird und ich leckere Sachen essen kann! :)

Bei dem Hörspiel von „Per Anhalter durch die Galaxis", das ich gerade beim Wandern höre, trifft der Held irgendwann auf Außerirdische, die den Menschen in fast jeder Hinsicht ähneln. Nur kennen sie das Prinzip des Wollens, Wünschens, Möchtens und Hoffens nicht. Aber ist es nicht genau das, was uns besonders und zu Menschen macht? Natürlich sollte man, finde ich, immer mit dem zufrieden sein, was man hat. Aber wenn man das nur täte, wie wäre die Welt dann? Dann würden wir noch in Höhlen wohnen und gegen Säbelzahntiger kämpfen. Wir hätten keine Häuser gebaut, Feuer gemacht, Weizen angebaut, Schrift und Sprache erfunden. Es gäbe keine Bücher, Filme, Computerspiele, keine Cheeseburger, keine Deutsche Bahn oder Kabelbinder.
Und was wäre die Welt ohne Kabelbinder.

Gute Nacht!
Euer Tom :)

Mittwoch, 5. Juni 2013

Zwischendurch

Mitten auf einem Berg im Nichts, Vögel zwitschern, Wolken ziehen vorbei und ich hab Internet. Die Welt ist schon komisch. :)

Dienstag, 4. Juni 2013

TAG ZEHN: Von Horton-In-Ribblesdale nach Hawes (ca. 15 Meilen)


Ich bin müde, langer, heißer Tag, doch kein wildcampen, da ich noch weiterlaufen wollte. Morgen muss ich für drei Tage einkaufen, wird schwierig. Hawes ist wunderbar, voller kleiner bunter Wimpel und Läden. Kaufe mir auch einen Hut, gegen die Sonne. 
Und Regen. Um für alles gerüstet zu sein. 
Viadukt in der Ferne, lange Mittagspause, schnelles Laufen. 
Ich bin müde. Gute Nacht!:)
Euer Tom


TAG NEUN: Vom Fountain Fell nach Horton-In-Ribblesdale (ca. 6 Meilen)

Die Schafe sind extrem laut. Gestern waren es ja noch schöne sanfte Rufe aus weiter Ferne, die über die Hügel zogen. Jetzt klingt es so, als würde alle paar Minuten eines der Tiere an einer unsagbar schmerzhaften Krankheit sterben. Unsagbar, aber blökbar.
Aber ich bin erschöpft genug, um trotzdem schlafen zu können und manche der Geräusche klingen eigentlich auch ganz lustig. Es war ein heißer, heißer Tag. Da ich vorgestern vergessen hatte, mich einzucremen musste ich mich gestern und heute mit verschiedenen kleinen Sonnenbränden herumschlagen; am deutlichsten bemerkbar machen sich die beiden an den Spitzen meiner Ohren. Das klingt jetzt nach einem Elf. Ist aber so. Da sind kleine Spitzen. Und die tun weh.

Ich habe mit dem Erreichen von Horton am frühen Nachmittag oder späten Mittag das erste Drittel des Pennine Way abgeschlossen und das damit gefeiert, heute nicht mehr weiter zu laufen. Horton ist ein winziger Ort, in dem ein Café die Touristeninformation, ein Hotel die Post und ein Wohnwagen der Supermarkt ist. Alles, was man braucht, ist da. Ich konnte auch eine neue Kartusche bekommen und endlich geht der neue Kocher auch. Ich freue mich schon: morgen will ich kurz vor dem etwas größeren Dorf Hawes wild campen und hab mir in dem Café, das übrigens auch ein Outdoorausstatter ist, tolle gefriergetrocknete Outdoornahrung gekauft.
Ich bin noch nicht besonders gut im Planen, weiß nicht, ob ich die Etappen, die ich mir vornehme auch schaffen kann. Wär ja auch irgendwie langweilig. Wenn alles gut geht, sollte ich aber in zwei Nächten am höchsten Pub Englands sein, dessen Namen ich gerade vergessen habe. Dort kann man auch campen.

Spätestens dort werde ich vielleicht auch den englischen Polizisten wiedersehen, den ich heute getroffen habe. Er wandert auch den Pennine Way, schläft immer in Hostels und lacht lustig. Ich habe mich lange mit ihm und zwei Frauen vom Campingplatz, die sich bei Ärzte-ohne-Grenzen in Afrika kennengelernt und jetzt einen dreimonatigen Roadtrip durch England, Irland, Kanada und die USA geplant haben, im Pub unterhalten, nachdem ich dort gegessen habe.

Dann habe ich noch eine SMS aus einer Telefonzelle verschickt, was mir gleichzeitig total altertümlich und modern vorkam und liege nun im Zelt.

Zuletzt sei ein Wort zu Chris gesagt: Chris gehört dieser Camlingplatz, überall ist sein Name zu lesen. Er hat sich neben dem Block mit den sanitären Einrichtungen eine Art großes Zelt aufgebaut. Von außen sieht es aus wie ein großes, relativ stabiles Partyzelt, über das ungefähr fünfzehn weitere Partyzelte und mindestens genauso viele Plänen alle Art in Farbe geworfen und mehr oder weniger willkürlich mit Kabelbindern befestigt wurden. An jedem erdenklichen Gegenstand in ungefähr einem Meter Umkreis um das Zelt ist es mit dicken und dünnen, blauen und orangenen, durchhängenden und tatsächlich straffen Seilen vertäut.
Doch wenn man hineingeht — zum Beispiel, um sich anzumelden — betritt man einen Palast der Charity-Shop-Käufe. Wie Chris selbst sagt, ist nichts darin nicht aus einem. Teppiche an der Decke, Kristallgläser überall, Wände voller Beistelltische, Teppiche an den Wänden, Kerzenleuchter in jeder Form und Farbe, Teppiche auf die Boden, etliche komische Stühle, ein altes Klavier und der alte Mann Chris.

Ich hab darauf gespielt. Chris und seinem Freund, die etwas aus einer Charity-Flasche aus Charity-Weingläsern tranken, hat es gefreut.

Gute Nacht!:)



Sonntag, 2. Juni 2013

TAG ACHT: Von Gargrave zum Fountain Fell (ca. 14 Meilen)

Draußen Antworten sich Kühe und Schafe. Sonst ist hier nur Stille. Ab und zu höre ich ein Flugzeug, mein Atem ist da. Sonst ist es ruhig. Die Sonne ist eben orange schimmernd hinter dem Berg hinter der Mauer hinter meinem Zelt untergegangen und jetzt bin ich hier allein. Einsame Berge, viel Torf und Gras, verfallene Mauern und eine weite Sicht in jede Richtung. Der Himmel ist frei, der Horizont wird von Wolken bedeckt, die, wenn sie der untergegangenen Sonne nah sind — oder zumindest ihrem Licht am Himmel — lila, sonst grau sind.
Meine Füße ragen noch aus dem Zelt, ich sitze schon drin, gucke abwechselnd auf die graue Landschaft und den notizzettelgelben Bildschirm der Notizzettel-App auf dem Handy.
Es war ein guter, anstrengder Tag. So wichtig der Weg auch ist, habe ich gemerkt, zählt auch das Ziel sehr viel. Bis ich heute nach Malham, das jetzt einige Meilen hinter mir liegt, gekommen bin, hatte ich kein festgesetztes Ziel und bin eher mit einer "Mal-sehen-was-kommt"-Einstellung gewandert. Eher getrottet.
Als ich dort angekommen war und neben einem neuen, sehr kleinen Kocher (mit dem ich vorhin eine meiner beiden Kartuschen geschrottet und das Gras darunter tiefgefroren habe) auch eine Portion Cream Tea erworben hatte und es gerade einmal drei war, beschloss ich, dass ich noch weiterwandern wollte. Bis zu einem Punkt, den mein Wanderführer zum Wildcampen nennt: Fountain Fell. Und da bin ich jetzt. Nachdem ich mir dieses Ziel gesetzt hatte, viel mir das Laufen — vor allem psychisch — viel leichter. Das heißt trotzdem nicht, dass ich komplett geplante Tage, wie sie ein Mann, den ich getroffen habe, für eine sechzigtägige Wanderung hatte, begrüßen würde. Aber Ziele geben einem Kraft. Nächste Ziele: ein paar Seiten lesen. Schlafen.
Gute Nacht!

Euer Tom :)





Samstag, 1. Juni 2013

TAG SIEBEN: Vom Rand des Ickornshaw Moores nach Gargrave (ca. 12 Meilen)

Mann bin ich voll. Hier in Gargrave gibt es einen großen, tollen Coop-Supermarkt und ich habe vielleicht etwas zu enthusiastisch und vor allem etwas zu hungrig eingekauft. Also musste ich heute zum Abendbrot Unmengen verschlingen und habe auch fürs Frühstück viel zu viel. Interessanterweise freut man sich die ganze Zeit auf den Ort, in dem man einkaufen kann und malt ihn sich als Etappenziel immer herrlich aus. Doch wenn man dann dort ist, will man eigentlich nur weiter. Man freut sich nicht lange darüber, endlich wieder einkaufen zu können, sondern muss schon planen, für wie lange und, wann man am nächsten Ort mit Kaufhalle sein wird.
Leider ist mein Kocher heute kaputt gegangen, also werde ich mir einen neuen kaufen müssen. Das geht aber erst in Horton-In-Ribblesdale, dem Ort, mit dem das erste Drittel des Peninne Way endet. Zwei Tage ohne Kocher werde ich auch irgendwie überstehen. :)
Ich muss schlafen, gleich ist es Null Uhr. Und dann wird es bald schon wieder hell und warm im Zelt. Also gute Nacht!
Euer Tom :)