Sonntag, 9. Juni 2013

TAG VIERZEHN: Von Middleton-in-Teesdale zum Maize Beck (ca. 15 Meilen)

Ich habe einen ruhigen, friedlichen Ort gefunden, um mein Zelt aufzuschlagen. Direkt neben dem militärischen Sperrgebiet. Es ist noch hell, ich kann das gelb meiner Luftmatratze, das rot meines Schlafsacks und die Bräune meiner Haut gut sehen. Obwohl eine rote Flagge gehisst war, ist i. Dem Sperrgebiet nichts los. Dabei warnte eine Hinweistafel vor Feuerübungen, niedrig fliegenden Kampfflugzeugen, Minen und, ich glaube, sogar Panzern. Naja, mal sehen, vielleicht werde ich ja mitten in der Nacht von sanften Glockenklang einiger Bazookas meiner Träume entrissen.

Der Weg geht nun endlich wieder durch Moorland, das sich hier ja unerwarteterweise auf den Bergen, und nicht an ihren Füßen befindet.
Das heißt, dass die Landschaft seit der Mitte des Tages wieder einsam, karg und rotbraun ist. Das heißt: schmatzende Schlammgruben, endlose Wege aus Steinplatten durch hohes Gras, nur Schafe, keine Kühe, weite Sicht, allein sein. Während ich das schreibe, habe ich außerdem kein Netz. Komisch, man erhofft sich von so einer reise eigentlich Einsamkeit, Abgeschiedenheit, das Auf-sich-allein-gestellt-Sein. Aber wenn man sie dann hat, wenn man wirklich allein da sitzt, seine Nudeln ist und sein Buch in den letzten Strahlen der langsam hinabwandernden Sonne liest, dann wünscht man sich doch einen oder zwei kleine Balken, die einem zeigen, dass man verbunden ist. Eigentlich ist das toll: solche Reisen zeigen einem, wie wichtig einem Menschen an sich und besonders die um einen herum sind. Das vergisst man manchmal zu schnell im normalen Alltag.
Darum gefällt es mir vielleicht auch meistens gut, beim Wandern Hörspiele zu hören. Da ist jemand, ein Mensch, der mit mir redet, die ganze Zeit. Und dann ist es auch noch spannend.
Das Wandern ist anstrengend. Ich dachte eigentlich, dass ich mich nach einer Woche oder so daran gewöhnt haben würde und ich mich so fühlen würde, als wäre da gar kein Rucksack auf meinem Rücken. So ist es leider nicht. Mein Rücken tut weh, ich bekomme immer noch neue Blasen, habe blaue Flecken an den Hüftknochen und schmerzende Beine. Aber das ist es wert! Es ist ein tolles Gefühl, auf die letzen zwei Wochen zurückgucken zu können und zu sehen, was ich schon geschafft habe. Und abgesehen davon macht das Wandern an sich natürlich auch Spaß! Am besten ist es aber trotzdem am Ende des Tages, wenn man wieder etwas geleistet hat. Leider habe ich für diese Tour bis jetzt kein wirkliches Ziel wie auf der Radtour zum Nordkap. Ich weiß nur, dass ich mein eigentliches Ziel, John O'Groats, nicht erreichen werde. Dann hätte ich jeden Tag mindestens 20 Meilen schaffen müssen. Und dann wäre gar nichts mehr Spaß gewesen. Also werde ich mit wohl ein neues, realistischeres Ziel suchen müssen. Wenn ich den Pennine Way beendet habe natürlich. Entweder setze ich meine Reise nach John O'Groats einfach fort, um zu sehen, wie weit ich komme. Die geht dann aber durch das dicht besiedelte Gebiet zwischen Glasgow und Edinburgh. Und das soll nicht toll sein. Oder ich fahre gleich nach Glasgow und beende meine Reise mit dem West Highland Way. Fort William ist sein Ende und eigentlich ein gutes Ziel. Mal sehen. Erst einmal kommt wahrscheinlich übermorgen der Hadrians Wall, dann die schottische Grenze und schließlich das Ende des Pennine Way in Kirk Yetholm.

Meine Augen fallen zu. Immer noch erkenne ich die Farben im Zelt, immer noch nichts los im Sperrgebiet.

Gute Nacht!
Bis bald,

Euer Tom :)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen